Unser Beschwerdeverfahren für Kinder
Ein bewusster Umgang mit Beschwerden geht den Weg der gelebten Partizipation konsequent weiter. Wenn Kinder erleben, dass Beschwerden erwünscht sind, ernst genommen und bearbeitet werden, ist diese Erfahrung für sie mit zahlreichen Lernchancen verbunden:
- Erleben der eigenen Wirksamkeit
- Verbesserung der Kommunikationsfähigkeit
- Stärkung der sozialen Kompetenzen
- Stärkung der Selbstwirksamkeitserfahrung und des Selbstbewusstseins
- Kinder lernen, sich mit Kritik auseinanderzusetzen,
- Kinder lernen sich bei Bedarf zu entschuldigen
- Kinder lernen neben der Durchsetzung ihrer eigenen Rechte ebenso die Rechte anderer Menschen zu respektieren
So lernen die Kinder allmählich, sich verantwortlich für die eigenen Bedürfnisse und Belange einzusetzen. Dies ist ein entscheidender Aspekt des aktiven Kinderschutzes.
Leitfaden für unser Beschwerdeverfahren für Kinder
Achtsamkeit und eine dialogische Haltung von uns sind unbedingte Voraussetzungen für eine sensible Wahrnehmung der Bedürfnisse des Kindes
Wann können sich die Kinder in unseren Einrichtungen beschweren?
- wenn sie sich ungerecht behandelt fühlen
- in Konfliktsituationen
- über unangemessene Verhaltensweisen der Pädagogen
- über alle Belange, die ihren Alltag betreffen (Angebote, Essen, Regeln, etc.)
Wie bringen die Kinder ihre Beschwerden zum Ausdruck?
- durch konkrete Missfallensäußerungen
- durch Gefühle, Mimik, Gestik und Laute
- durch ihr Verhalten wie z.B. Verweigerung, Anpassung, Vermeidung, Regelverletzungen, Grenzüberschreitungen
Wie regen wir die Kinder an, Beschwerden zu äußern?
- durch Schaffung eines sicheren Rahmens, in dem Beschwerden angstfrei geäußert werden können und mit Respekt und Wertschätzung angenommen und bearbeitet werden
- indem sie im Alltag bei uns erleben, dass sie bei Unzufriedenheit auch über Ausdrucksformen wie Weinen, Zurückziehen und Aggressivität ernst- und wahrgenommen werden
- indem Kinder ermutigt werden, eigene und Bedürfnisse anderer zu erkennen und sich für das Wohlergehen der Gemeinschaft einzusetzen
- indem wir Mitarbeitenden positive Vorbilder im Umgang mit Beschwerden sind und auch eigenes (Fehl-)Verhalten, eigene Bedürfnisse reflektieren und mit den Kindern thematisieren
Wo und wie können sich die Kinder beschweren?
Direkte verbale Möglichkeiten:
- durch den direkten Dialog mit dem Konfliktpartner*in
- in ihrer Gruppe bei den Betreuern
- bei den Gruppenleitungen und der Einrichtungsleitung
- in den Gesprächsrunden, bei „Faustlos“ oder den „Schlauen Füchsen“
- bei der Kinderkonferenz
- bei den Hortsprechern
- bei allen Mitarbeitenden, die in einer akuten Konfliktsituation in der Nähe sind
- bei ihren Eltern
indirekte Möglichkeiten:
- schriftliche Mitteilung über den Kummerkasten, der vor dem Büro der Einrichtungsleitung hängt
- durch die Emotionskarten (Smilies, die den aktuellen Gefühlsstatus ausdrücken), die vor den Gesprächsrunden in den Gruppenräumen ausliegen
- durch die Eltern- und Kinderbefragungen
Wie werden die Beschwerden der Kinder bearbeitet?
- mit dem Kind/ den Kindern im respektvollen Dialog auf Augenhöhe, um gemeinsam Antworten und Lösungen finden
- im Dialog mit der Gruppe in der Gruppenzeit
- in den Kinderkonferenzen
- in unseren Teambesprechungen
- mit den Eltern bei Bedarf
- mit anderen Personen, die es mit betrifft (z.B. Lehrer*in)
- mit Personen, die als Unterstützer eingeschaltet werden, wenn wir allein keine zufriedenstellende Lösung finden können (z.B. Integrationsfachdienste, Jugendsozialarbeiterinnen)
- mit dem Elternbeirat und dem Träger bei Bedarf und Zuständigkeit
Wie läuft das Beschwerdeverfahren ab?
Beschwerdeeingang
- Zuhören und das Anliegen ernst nehmen
- Einschätzen der Beschwerde
- Geeignete Lösungsmethode zusammen mit den Kindern finden
- Problem gelöst: nach einer gewissen Zeit noch einmal nachfragen
- Problem nicht gelöst: Dokumentation starten
Beschwerden über ein anderes Kind oder andere Kinder
- Methode wählen zusammen mit dem Kind wählen
- Einzelgespräche oder gemeinsame Gespräche mit den beiden Parteien (siehe Konfliktlösung nach „Faustlos)
- Durch ein Gruppengespräch bei Bedarf andere Meinungen einholen
- Eltern oder sonstig Involvierte bei Bedarf hinzuziehen
- Unterstützung bei anderen bei Bedarf einholen (z.B. Lehrer*in, Gruppen- oder Einrichtungsleitung, Jugendsozialarbeiterinnen, …)
Beschwerden der Kinder über Eltern
- Anwendung unseres Beschwerdeverfahrens wie oben
- Gemeinsames Gespräch mit dem Kind und den Eltern
- Bei Bedarf Einzelgespräch mit den Eltern
- Bei Bedarf „Unterstützer“ mit dazunehmen
- Dokumentation
Beschwerden der Kinder über Mitarbeiter*innen
- Anwendung unseres Beschwerdeverfahrens wie oben
- Bezugsbetreuer/Vertrauensperson dem Kind als Anwalt zur Seite stellen
- Bei Bedarf die Einrichtungsleitung mit einbeziehen
Beschwerden der Kinder über Angelegenheiten, die in der Schule passieren
- Anwendung unseres Beschwerdeverfahrens wie oben
- Einrichtungsleitung informieren
- Jugendsozialarbeiterinnen informieren
- Klärung der Angelegenheit in der Schule im Beisein des Betreuers als Unterstützer
Auch nach einer Lösung werden wir bei dem Kind immer wieder nachfragen, ob die Situation immer noch zufriedenstellend für das Kind ist.
Alle Beschwerdeverfahren, die nicht kurzfristig gelöst werden können, werden dokumentiert (siehe Anhang) und den Kindern für ihre Portfoliomappen zur Verfügung gestellt. Alle Dokumentationen werden in unserem Beschwerdeordner gespeichert und 5 Jahre lang zur Nachverfolgung aufbewahrt. (bei schwerwiegenden Beschwerden verlängert sich die Aufbewahrungsfrist)
Wie werden die Kinder über ihr Beschwerderecht informiert?
Bereits bei der Anmeldung werden die Eltern über unser Beschwerdeverfahren informiert. Sobald das Kind unsere Einrichtung besucht, wird es von den Gruppenbetreuern über sein Beschwerderecht informiert und erhält sein Info-Beschwerdeblatt für seinen Portfolioordner.
Zusätzlich werden die Kinder der 1. Klasse durch praktische Fallbeispiele im Projekt „Faustlos“ für ihr Beschwerdeverfahren sensibilisiert.
